Sega
Nun konnte es nur noch eine Entwicklungslinie geben: brachiale Prozessorenleistung. Scheinbar kannte man bei Sega das Sprichwort "Weniger ist mehr" nicht, denn das Unternehmen wechselte nun den Prozessor gegen ein anderes Modell aus. 16 MHz waren nicht mehr ausreichend, hatte die Playstation doch einen RISC Prozessor mit 33 MHz! Mit diesem hatte sie eine Leistung von 66 MIPS (Millionen Instruktionen pro Sekunde) und schlug damit sogar die Automatenplatine Model 1. Doch Leistung auf dem Papier ist nicht alles und Sega schien dies vergessen zu haben. Nakayama forderte mit allen Mitteln eine deutliche Leistungssteigerung des Saturn Projekts. Dies konnte jedoch nur über eine Neuentwicklung gelingen und Segas Forschungsteam begann das Projekt von neuem. Doch es musste schnell vonstatten gehen und Sega nutzte die Hardware, die bereits vorhanden war, wollten sie den geplanten Veröffentlichungstermin einhalten (November 1994). An einem ähnlichen Termin sollte auch die Playstation auf dem Markt erscheinen, Eile war also geboten.
Als Basis wählte man nun ebenfalls RISC Prozessoren aus dem Hause Hitachi mit dem Namen SH-2. Diese waren mit 28,6 MHz getaktet und besaßen jeweils 4 KByte Cache. Jeder einzelne Prozessor hatte dabei eine Leistung von 25 MIPS. Nun begann das extreme Tunen des Orginalkonzeptes: wenn man nun zwei Prozessoren verwendete, wieso nicht auch gleich zwei übertaktete VDP als Grafiklösung, die jeweils einen bestimmten grafischen teilbereich übernehmen? Tom Kalinske stand als einziger wieder in kritischer Position zu diesem Aufrüstwahn. Er selbst hatte Silicon Graphic kontaktiert. Dies war eines der Unternehmen, die bei der Entwicklung der Playstation, aber auch des Nintendo 64 einen entscheidenden Anteil hatten. Dort schlug man ihm eine alternative Herangehensweise vor, die nur auf einem Chip basierte, aber die Playstation mit den eigenen Mitteln schlagen konnte. Nakayama wollte davon jedoch nichts hören, auch eine Demonstration dieser Technik konnte ihn nicht überzeugen und die Überzüchtung der Konsole nahm seinen verhängnisvollen Verlauf. Zur Verstärkung des Systems kam noch eine SC Einheit hinzu, die nur für die Kontrolle des Systems zuständig war und darüber hinaus als DMA Controller arbeitete. Ein weiterer Hitachi RISC Prozessor war für den Datenaustausch mit dem CD-ROM abgestellt, während zwei weitere Prozessoren (Yamaha FH1 DSP und Motorola 68EC000) allein für den Sound zuständig waren. Hinzu kam noch ein unüberschaubares Chaos an Speicherbereichen: 1 MByte SDRAM für den schnellen Modus der Hauptprozessoren, 1 MByte DRAM für den langsamen Modus. 512 KByte SDRAM für Texturen und Kommandos, 2 x 256 KByte SDRAM für den Framebuffer der beiden Grafikchips, 512 KByte SDRAM für 2D Grafik, 4 KByte für die Farbpaletten, 512 KByte DRAM für den Sound, 512 KByte als Arbeitsspeicher für das CD-ROM, 32 KByte zur Datenspeicherung, wie auch 512 KByte als ROM für das BIOS.
Insgesamt über 5 MByte Speicher für die unterschiedlichsten Bereiche der Saturn. Die Komplexität des Systems war auch zugleich ihr größter Fehler und führte zum Untergang der Saturn. Zur damaligen Zeit war die Programmierung eines Zwei-Prozessor-Systems alles andere als leicht, zumal das System auch noch zwei Grafikchips besaß und alle Prozessoren direkt mit einzelnen Codesegmenten gefüttert werden wollten. Daher begannen die meisten Dritthersteller damit, nur einen Prozessor und nur einen Grafikchip anzusprechen, um die komplexe und schwierige Programmierung für alle Prozessoren zu umgehen. Dies führte natürlich dazu, dass die Konsole nicht wirklich ausgelastet war und nie am Rande der Möglichkeiten operierte, für die sie eigentlich vorgesehen war. Sega selbst beherrschte das System, hatten sie doch bereits in der Vergangenheit Automaten mit zwei Prozessoren aufgestellt, doch das Gros der Softwarefirmen kamen nicht hinterher.
Hinzu kam als Problem sicherlich die Konkurrenz, die zur selben Zeit ankündigte insgesamt neun Konsolen auf den Markt werfen zu wollen. Lediglich Nintendo und Sega waren zu diesem Zeitpunkt ernstzunehmende Kandidaten. Sony war zwar ein großer Elektronikanbieter, doch hatten sie bis dato keine Erfahrung mit Konsolen und bisher sahen nur die technischen Details auf dem Papier gut aus. Sollte es Sega gelingen mit einem breiten Softwareangebot noch vor der Sony und Nintendo den Markt zu beliefern, standen die Chancen ausserordentlich gut. Der geplante Auslieferungstermin war für Japan der September 1994, während der nordamerikanische Markt im März 1995 mit dem Saturn rechnen konnte. Die Marketingkampagnen begannen den Release heraufzubeschwören und die Fans des Unternehmens rieben sich begeistert die Hände. Zwar sollte das System zwischen 400 und 500 $ kosten, doch die Möglichkeit Virtua Racer und Fighter zuhause spielen zu können, hob sämtliche Bedenken wieder auf.
Als die Konsole am 22. November 1994 endlich erschien, konnten bereits 120.000 Vorbestellungen präsentiert werden. Meterlange Schlangen bildeten sich vor den Kaufhäusern, die sich bereits Tage zuvor formiert hatten. Die Menschen warteten tagelang vor den Geschäften, ein Phänomen, das später erst wieder bei Star Wars Episode 1 oder Herr der Ringe geschah. Mit 490$ war die Sega Saturn die teuerste Konsole aus dem Hause Sega und wurde nicht einmal mit einem Spiel ausgeliefert, doch die Fans zahlten diesen Preis gern. Innerhalb von zwei Tagen wurden alle bisher produzierten 250.000 Einheiten verkauft! Zum ersten Mal hatte Sega auch Erfolg in Japan und führte die nächsten sechs Monate, dank Virtua Fighter die Verkaufszahlen bei Konsolen an. Auch Sonys Playstation, die nur eine Woche später präsentiert wurde, konnte den Erfolg nicht bremsen, so sah es zumindestens aus. Doch das war nur die Oberfläche des Geschehens, denn unter dieser Erfolgswelle begann sich schon der drohende Untergang zu melden. Denn obwohl die Playstation sich weniger gut verkaufte explodierten die Verkäufe der Spieltitel. Sega konnte nicht dagegen anhalten, sie hatten einfach keine Titel zur Verfügung. Nun rächte sich der extrem komplexe technische Aufbau der Saturn.
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