Sid Meiers Pirates!
Wohl kein Spiel hielt sich länger in den Leser-Charts zahlreicher Magazine, als „Pirates!“ von Sid Meier, der sich mit diesem Spiel einen Platz auf dem Olymp der Gamedesigner vorbestellte (und mit seinen preisgekrönten und weit erfolgreicheren Werken Civilization und Colonization auf Lebenszeit abonnierte). Auch in aktuellen Umfragen der Webseite IGN erinnert man sich noch wehmütig an das 1987 erschiene Spiel: die Leser wählten das Spiel auf Platz 27 der „Top 100 Games of All Time“ (2003). Zwei Jahre später kletterte Pirates! bei einer weiteren Umfrage sogar auf den fünften Tabellenplatz. Dabei half wohl auch das Sequel aus dem Jahr 2004. Pirates ist auch heute noch eines der 20 meist gekauften Spiele aller Zeiten.
Pirates! war ein Gegenstück zu den populären Spielen jener Tage, galten doch Jump n Runs, wie Giana Sisters oder Shinobi als potentielle Hitkandidaten. Doch auch das relativ neue Genre des Grafikadventures war im Begriff den Markt zu erobern. Maniac Mansion (Lucasfilm Games) und Leisure Suit Larry (Sierra Online) waren die neuen Stars. Eine Vermischung dieser oder anderer Bereiche war bis dahin wenig erfolgreich gewesen. Sid, den die meisten zuvor als Schöpfer von Militärsimulationen kannten (unter anderem F-15 Strike Eagle, Silent Service oder Gunship), wagte sich dennoch daran.
Der Spieler übernahm die Rolle eines frisch gebackenen Captains, der für Gott und Vaterland nach Ruhm und vor allem Reichtum die Karibik durchforschte. Die vorhandenen Städte konnten als Handelsplätze ebenso benutzt werden, wie auch als Treffpunkt für Rekruten, die in den Schlachten immer gern gesehen waren. Vier unterschiedliche Nationen waren in Pirates! vertreten. Diese wurden durch einen Gouverneur dargestellt. Diesen aufzusuchen konnte durchaus Vorteile bieten, denn wie auch in der heutigen Politik waren die Nationen nicht immer auf Schmusekurs. Die Franzosen, Engländer, Holländer oder Spanier wechselten dabei oft innerhalb von wenigen Monaten die Beziehungen zueinander. Plötzlich koalierten die Holländer mit den Franzosen gegen die Spanier, während England neutral blieb. Daher kam es oft vor, dass der Gouverneur recht schnell einen Kaperbrief ausstellte, der dem Spieler offiziell die Erlaubnis gab, die feindliche Nation zu attackieren. Dies bedeutete meist nach erfolgreicher Erledigung des Auftrages Land und Titel für den Spieler, der sich bis zum Baron adeln lassen konnte. Dies bedeutete, dass auch die Handelspreise oder Schiffsreparaturen innerhalb der Städte günstiger wurden. Doch auf hoher See, konnte dies auch fatale Folgen haben.
Bei diesen Fahrten, die in einer isometrischen Draufsicht dargestellt wurden, war es wahrscheinlich auf ein anderes Schiff zu stoßen. Erkannte der Posten im Storchennest am Horizont ein Segel, erhielt der Spieler die passende Information, die aufgrund der Sichtweite allerdings noch lückenhaft war. Es stand dem Spieler nun frei, sich diesem zu nähern oder aber abzudrehen. Entschied man sich für eine Kontaktaufnahme meldete der Mann auf dem Mast schon bald pflichtbewusst weitere Informationen, dass nun auch den Schiffstyp verriet. Der Spieler konnte sich nun entscheiden, ob eine weitere Annäherung sinnvoll war, was zumeist bei der Konfrontation zwischen einer Galeone und einer Nussschale in Frage gestellt werden musste. Doch war man sich seiner sicher, konnte man auch den nächsten Schritt wagen, der dem Spieler die Nationalität des Schiffes verriet.
War es eine befreundete Nation konnten die aktuellsten Nachrichten über die Bordwand geschrien werden. Ansonsten gab man Befehl zum Angriff. Zwei Schiffe standen sich nun gegenüber, bereit das eigene Leben und die Ware an Bord teuer zu verkaufen. Die Kanonen wurden bemannt und ein Kurs gewählt, der das eigene Schiff in eine günstige Position zum Feuern manövrierte. War das Schiff zusammengeschossen oder suchte man die direkte Konfrontation, wählte man einen Kurs frontal auf den Gegner zu und versuchte mittels Degen den Kampf zu beenden. Hatte man Pech und verlor, war das Spiel keineswegs zu Ende. Das Leben durfte man behalten, das Schiff jedoch nicht. Die nächsten Monate errichtete man ein ökologisches Eigenheim auf einer fernen Insel und hoffte auf Rettung. Gewann man jedoch das Duell erhielt man nicht nur das Schiff als Dauerleihgabe, sondern auch die gebunkerten Waren, die im nächsten Hafen gewinnbringend veräußert werden konnten. Dabei sollte man aber nicht den Fehler begehen und einen Hafen der eben überfallenen Nation besuchen. Falls die Stadt auch Forts besaß, war ein stürmischer Empfang mit den Kanonen gewiss.
War man selbst nun schon im Besitz mehrerer Schiffe und Hunderten von Matrosen, gab es auch eine weitere Variante der Stadtbesichtigung, die sich Einnahme nannte. Entweder überrannte man kleinere Städte und forderte die Wache zum Duell oder aber ein Guerilla Krieg in den Sümpfen und Dschungeln fand statt. War der Sieg überaus erfolgreich, konnte der Spieler einen neuen Gouverneur und damit die Nationalität zu wählen. Ein Titel winkte nach solcher einer Tat mit Sicherheit.
Statt, wie bei den meisten Spielen, dem Spieler einen begrenzten Weg zur Lösung der Aufgabe zu diktieren, war die gesamte Karibik der Schauplatz. Es gab keinerlei Vorgaben, wie der Spieler das Spiel anzugehen hatte. Darüber hinaus integrierte Sid noch vergrabene Schätze und Gouverneurstöchter, die einen Freibeuter als Ehemann zu schätzen wussten. Als wäre das nicht genug, gab es auch einen intriganten Bösewicht, verschleppte Familienmitglieder und die regelmäßige Schatzflotte. Pirates! lebt jedoch von den kleinen Details: große Schiffe waren behäbiger bei Wendemanöver, dafür aber mit einer brutalen Feuergewalt ausgestattet, die in kleine Schiffe nicht zu integrieren war. Dafür konnten diese besser gegen den Wind kreuzen, was durchaus einen Vorteil darstellte, wenn ein langer Rückweg in die östlichen Gebiete der Karibik vonnöten war.